Der HSV im Europapokal – über glorreiche Zeiten von Hrubesch bis Barbarez

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Der Hamburger Sportverein war lange dafür bekannt, dass er noch nie aus der höchsten deutschen Spielklasse abgestiegen ist – als einziger deutscher Fußballverein! Das änderte sich allerdings 2018. Am Ende der Bundesliga-Saison 2017/18 stieg der HSV ab und verlor durch die folgenden Jahre in der zweiten Bundesliga den Titel des „Bundesliga-Dinos“. Was bleibt ist der Blick zurück auf eine erfolgreichere Zeit, als der HSV noch international spielte und das ein oder andere Mal für Furore sorgte: Neben überraschenden Comebacks und einer niederschmetternden Papierkugel hat der HSV im Europapokal noch viel mehr erlebt!

Das europäische Debüt und der erste Europapokal-Triumph

Der Hamburger Sportverein nahm in der Saison 1960/61 das erste mal an einem europäischen Wettbewerb teil. In der Premierensaison feierte man im Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister ein grandioses Comeback. Nachdem man das Hinspiel in England gegen FC Burnley mit 1 zu 3 verlor, gewann der HSV das Rückspiel vor 74.000 Zuschauern mit 4 zu 1. Maßgeblichen Anteil daran hatte HSV-Legende Uwe Seeler, der zwei Treffer beisteuerte.

Anschließend ging es im Halbfinale gegen den FC Barcelona. In Spanien verloren die Rothosen 0 zu 1. Das Rückspiel in Hamburg wurde von der gesamten Stadt sehnsüchtig erwartet. Das Stadion war ausverkauft und etliche Hamburger versuchten Karten auf dem Schwarzmarkt zu erwerben. Die Elf um Uwe Seeler rechtfertigte die Vorfreude der Hamburger: Seeler selbst erzielte das zwischenzeitliche 2 zu 0 für den Hamburger Sportverein. Doch in der 90. Minute herrschte plötzlich lähmende Stille im Volksparkstadion – der FC Barcelona zerstörte mit dem 1 zu 2 alle Träume und rettete sich ins Wiederholungsspiel. Dort beendete eine 0:1-Niederlage die erste Saison des HSV im Europapokal.

HSV Europapokal Geschichte Uwe Seeler

1968 stand der Hamburger Sportverein sogar kurz vor dem ersten internationalen Titel. Allerdings unterlagen die „Rothosen“ im Finale des Europapokals der Pokalsieger dem AC Milan mit 0 zu 2. Danach dauerte es ein knappes Jahrzehnt bis der HSV wieder ein Europapokal-Endspiel bestritt – dieses Mal erfolgreich! Unter Trainer Kuno Klötzer setzten sich die Hamburger 1977 im Finale gegen RSC Anderlecht durch. Nach dem 2:0-Sieg streckte der Klub als Europapokalsieger der Pokalsieger zum ersten Mal eine europäische Trophäe gen Himmel. Wem der Verein das zu verdanken hatte, war allen klar: Der Trainer machte den Erfolg möglich. Nach dem Triumph im Endspiel feierte Klötzer auf den Schultern seiner Spieler und die Hamburger Anhänger ehrten ihren Helden mit „Kuno“-Sprechchören!

Glanz und Glory in den 80ern

HSV Europapokal Geschichte 1981 Stadion

Der HSV war in den 80ern erfolgreicher denn je auf der europäischen Bühne: Von 1979/80 bis 1985/86 spielte der Klub sieben Jahre in Folge im Europapokal. Dreimal nahm er am Europapokal der Landesmeister teil und viermal am UEFA-Cup. Dabei erreichte Hamburg sogar dreimal ein Endspiel. 1980 im Landesmeister-Cup gegen Nottingham (0:1) und 1982 im UEFA-Cup gegen Göteborg (0:1, 0:3) musste man sich noch geschlagen geben. Aber ein Jahr später triumphierte der HSV im Finale des Europapokals der Landesmeister. Er besiegte Juventus Turin mit 1 zu 0 – der bis heute größte Triumph in Europa.

Diese sensationellen Leistungen in den 80er Jahren hat der HSV vor allem dem damaligen Manager Günter Netzer zu verdanken. Nach seiner aktiven Karriere, wollte Netzer die Stadionzeitschrift des HSV verlegen. Der damalige Präsident willigte ein unter der Prämisse, dass Günter Netzer auch neuer Manager werde, was jener akzeptierte. Als Manager stellte er die Erfolgstrainer Branko Zebec und Ernst Happel ein, die den Hamburger Sportverein zu einem Weltklasse-Team formten. Die Ära Netzer ist bis heute die erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte.

Erfolge des HSV im Europapokal

  • Sieger im Europapokal der Landesmeister (1982/83)
  • Sieger im Europapokal der Pokalsieger (1976/77)
  • Zweiter im Europapokal der Landesmeister (1979/80)
  • Zweiter im Europapokal der Pokalsieger (1967/68)
  • Zweiter im UEFA-Cup (1981/82)

Altes Pflaster Juventus und die Missgunst der Papierkugel

Gegen Juventus Turin durfte der HSV nicht nur den Europapokal der Landesmeister 1983 feiern, auch im Jahr 2000 gelang eine Sensation gegen die Italiener. In der Gruppenphase der Champions League reichte es nicht für ein Weiterkommen gegen Deportivo La Coruna, Panathinaikos Athen und Juventus Turin – am letzten Spieltag ging es gegen Juve „nur“ um den dritten Platz und den Einzug in den UEFA-Cup.

Volksparkstadion, HSV im Europapokal

Die Hanseaten benötigten im Volksparkstadion mindestens ein Remis, um den dritten Platz zu verteidigen. Allerdings lag der HSV bereits nach sechs Minuten 0 zu 1 hinten, nach 52 Spielminuten gar 1 zu 3. Als keiner mehr dran glaubte, legte die Truppe von Trainer Frank Pagelsdorf eine unvergessene Aufholjagd hin: die Treffer von Mehdi Mahdavikia, Hans-Jörg Butt und Niko Kovac drehten die Partie. Auch das dritte Tor von Inzaghi zum 4 zu 4 änderte nichts, der HSV blieb im Europapokal! Der damalige Kommentator Jörg Wontorra fasste sehr treffend zusammen: „Das ist ja ein Jahrhundertspiel hier. Das glaubt man ja gar nicht, wenn man’s nicht gesehen hat!“

Im Europa-League-Halbfinale 2008/09 lief es weniger gut – Der Hamburger SV musste ins deutsche Duell gegen den Rivalen aus Bremen. Das Hinspiel gewann Hamburg auswärts mit 1 zu 0, im Rückspiel kam es zu einem der kuriosesten Europapokal-Momente. Der HSV schied auf tragische Art und Weise durch ein 2 zu 3 aus: Eine Papierkugel ermöglichte das zwischenzeitliche und vorentscheidende dritte Tor für Werder. Der HSV-Verteidiger Michael Gravgaard wollte einen Pass zu seinem Torhüter spielen, der Ball rollte über eine Papierkugel und dadurch ins Toraus. Aus der resultierenden Ecke entsteht die Vorentscheidung und Gravgaard wird zum tragischen Helden. Der verpasste Finaleinzug, die Pleite gegen den Rivalen und die Papierkugel machen das Spiel zum unglaublichsten und bittersten Hamburger Europapokal-Erlebnis.

Top-Torschütze im Europapokal – Hrubesch, Seeler oder doch Barbarez?

Nicht Horst Hrubesch, nicht Uwe Seeler, nicht Sergej Barbarez – keiner der drei ist erfolgreichster Torschütze des HSV im Europapokal. Horst Hrubesch schoss zwar elf Treffer, aber zwei Ehemalige des Hamburger Sportvereins waren noch erfolgreicher in europäischen Wettbewerben: Rafael van der Vaart und Mladen Petric erzielten jeweils 15 Tore im Europacup. Van der Vaart brauchte dafür 31 Spieleinsätze, während Petric seine 15 Buden in nur 27 Partien machte. Erfolgreichster Europapokal-Torschütze des Hamburger Sportvereins ist deshalb der Kroate. Er traf 2008/2009 fünfmal im UEFA-Cup, ein Jahr später erzielte er in der Europa League sechs Tore, in der Qualifikation dafür vier Weitere.

HSV Europapokal Geschichte van der Vaart

Der HSV verpasst das Europapokal-Finale zuhause

Die Saison des Nordderbys in der Europa League war fast schon die jüngste internationale Erfahrung. Bis heute spielte der HSV nur im darauffolgenden Jahr noch einmal international. 2009/10 lief es ähnlich gut wie zuvor: auch dieses Jahr schafften die Hamburger den Einzug in das Halbfinale. Auf dem Weg dorthin besiegte man PSV Eindhoven, RSC Anderlecht und Standard Lüttich.

HSV Europapokal Geschichte 2010 Stadion

Allerdings war im Halbfinale Endstation – gegen den FC Fulham musste man sich knapp geschlagen geben (0:0, 1:2). Dabei stand man beim Rückspiel in Fulham schon mit einem Bein im Finale – Mladen Petric hatte den HSV mit einem traumhaften Freistoßtor in Führung gebracht. Dank des Auswärtstores brauchte der Gegner nun zwei Treffer, um weiterzukommen – was den Engländern gelang. Besonders bitter: Das Finale dieser Europa League Saison hat in Hamburg stattgefunden – ein Sieg gegen Fulham hätte den Traum des Europapokal-Finales im eigenen Stadion erfüllt.