Choreographie im Fußballstadion – Blick hinter die Kulissen

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Die Choreographien in Fußballstadien auf der ganzen Welt enstehen meistens auf Initiative von Ultra-Gruppen oder Fanclubs. Am Ende stehen optische Highlights, die mit riesigen Bannern, farbenfrohen Kurven und dynamischen Elementen verzücken. Unsere Redaktion wirft einen Blick hinter die Kulissen und zeigt, wie viel Aufwand und Herzblut in einer solchen Choreographie stecken.

Was Fans für eine Choreographie brauchen

Der erste Schritt für eine erfolgreiche Choreographie in einem Fußballstadion liegt darin, eine Genehmigung zu erhalten. Dabei obligt das Hausrecht dem jeweiligen Stadionbetreiber, weswegen besonders Auswärts-Choreos nicht in jedem Fall realisiert werden können: Am Ende sind die Fans immer vom Wohlwollen des gegnerischen Vereins abhängig. Für alle geplanten und genehmigten Choreographien brauchen die Organisatoren als nächstes das entsprechende Material sowie Equipment.

Chreographie Eintracht Braunschweig

Große Banner oder eine Blockfahne bastelt man nicht mal eben zuhause mit Papier und Schere, es werden beispielsweise Farben und Malerwerkzeug benötigt. Darüber hinaus ist die Frage nach dem Arbeitsort sehr wichtig, denn für das Ausbreiten der Papiere oder Stoffe muss genug Platz vorhanden sein. Und auch der Weg ins Stadion muss bewerkstelligt werden, weshalb ein Fahrzeug für den Transport gebraucht wird. Insgesamt fordert das Erstellen einer Choreo also nicht nur enorm viel Zeit, sondern auch genügend finanzielle Ressourcen für Material.

Oftmals unterschätzt man die Leistung des Miteinanders, durch das die Kurvengemälde erst möglich werden. Es sind nicht nur eine extreme Akribik und Geduld von Nöten um Fehler zu vermeiden, sondern auch das Treffen gemeinsamer Entscheidungen und eine sinnvolle Arbeitsteilung gehören zu den Herausforderungen.

Von einer Idee zur handfesten Choreographie

Den Anlass für eine Choreographie bieten meistens mit Spannung erwartete Partien wie zum Beispiel ein Stadtderby gegen den Erzrivalen. Für ein derartiges Duell lassen sich die Anhänger eine Aussage oder ein Thema einfallen, das sich für eine bildhafte Darstellung eignet. Zudem bestimmen die Organisatoren die Form der Choreo, wobei einfache Banner genauso wie eine umfangreiche Aktion der ganzen Kurve denkbar sind. Der nächste Schritt wäre der Entwurf der exakten Choreographie, die es dann in einen Stadion tauglichen Maßstab zu übertragen gilt. Hierbei nutzen die Fans oft das Rasterverfahren: Sie teilen den Entwurf in Raster ein, die sie dann in einem größeren Maßstab auf das gewünschte Transparent übertragen. Dabei gilt natürlich: erstmal Vorzeichnen mit Bleistift, danach Färben.

Für das Färben der späteren Choreo braucht man nicht nur die entsprechenden Farben, sondern in erster Linie einen angemessenen Untergrund. Bei Bannern verwenden Fußballfans häufig Graffiti-Spray auf dickem Papier, für Blockfahnen nutzen sie Malerfarbe auf Stoff. Dabei sind für größere Choreographien dutzende Farbeimer und etliche Quadratmeter Stoff notwendig. Beispielsweise steckte ein Gladbacher Fanclub zwei Tage Arbeit in das Gestalten von zwei Bannern, die 60 und 90 Quadratmeter groß waren.

Beim Erstellen einer Choreographie spielen viele Faktoren eine Rolle, weshalb Fans nicht immer nach demselben Muster vorgehen können. Je nach Größe des Projekts und auch in Abhängigkeit des Motivs wählen sie verschiedene Mittel und Wege. Beispielsweise kann ein Beamer genutzt werden, um schwierige Motive in richtiger Größe an eine Wand zu projizieren. Dies ermöglicht in machen Fällen das Übertragen ohne Rasterverfahren. Des Weiteren verwenden einige Ultragruppen auch Sprühmaschinen für Graffiti, um den Arbeitsprozess zu beschleunigen.

Keine Kosten und Mühen scheuen

Für einen überragenden, einzigartigen Moment nehmen die Fußballfans ein extrem hohes Maß an Aufwand in Kauf. Die nervenaufreibende und tagelange Arbeit hat als einziges Resultat ein Kunstwerk, das für wenige Minuten im Stadion zu sehen ist. Der Zweck ist klar: Fans leben ihre Kultur und unterstützen nicht nur ihren Verein, sondern äußern so ihre Meinung. Egal ob anlässlich einer Feier oder als Zeichen der Unzufriedenheit, der kurze choreographische Augenblick steht in keiner Relation zu der Arbeit, die dahinter steckt. Spätestens damit vollzieht sich der Schritt vom Hobby Sport zum Lebensstil Fußball.

Neben dem hohen zeitlichen Aufwand, sind solche Choreographien extrem kostspielig. Die teuren Materialien und das besondere Equipment sorgen dafür,dass für sehr umfangreiche Choreos sogar tausende Euros investiert werden müssen. Die nötigen Gelder stammen bei den meisten Fan-Gruppen aus Mitgliedsbeiträgen und Spendenaktionen, die finanzielle Unterstützung durch Sponsoren und den Verein lehnen Ultras und Fanclubs weitestgehend ab.

Choreographie Dynamo Dresden

Ein Beispiel für die enormen Ausmaße der investierten Zeit und Gelder ist wohl Dynamo Dresdens Blockfahne aus 2015. Sie zog sich über das gesamte Stadion – Ausnahme war der Gästeblock – und übertraf alle bisherigen Choreographien Europas. Dabei organisierten die Fans das Projekt über mehr als zweieinhalb Jahre. Zudem griffen sie tief in die Tasche, um das am Ende 25.000 Euro teure Highlight auf die Beine zu stellen. In einer 35 mal 350 Meter großen Blockfahne verarbeitete man auf mehr als 12.000 Quadratmetern etwa 70 Kilometer Garn – unglaubliche Werte! Das Resultat ist ein Paradebeispiel für die Leidenschaft hinter Choreographien.

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