Auswärtstore zählen „doppelt“, heißt es nicht ganz korrekt im Fußballjargon. Was mit dem „doppelt“ gemeint ist: Auswärtstore sind wertvoller. Und auf den Punkt gebracht besagt die Auswärtstorregel lediglich, dass bei Torgleichheit nach Hin- und Rückspiel die Mannschaft mit den meisten Auswärtstreffern weiterkommt. Doch bald könnte es der Auswärtstorregel an den Kragen gehen.

Auswärtstorregel überhaupt noch zeitgemäß?

Die Auswärtstorregel ist ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten als ein Auswärtsspiel auf Grund der Begleitumstände noch eine schwer zu lösende Aufgabe war. Die UEFA führte die Regelung 1965 ein um die Auswärtsmannschaften in den internationalen Wettbewerben zu stärken. Das Ziel war die Chancengleichheit zwischen Heim- und Auswärtsteam da die Gäste, vor allem in den 60er und 70er Jahren, ungeahnte Reisestrapazen auf sich nehmen mussten.

Hinzu kam, dass beispielsweise Plätze und Bälle nicht genormt waren. Fußballer sowie Schiedsrichter-Gespann waren deutlich überforderter mit der Drucksituation durch das Heimpublikum. Kurz um. Der Heimvorteil vor 50 Jahren war deutlich spürbar was auch statistisch belegbar ist: So kommt eine Untersuchung der University of Liverpool Management School zum dem Ergebnis, dass der Anteil der Heimsiege im Europapokal über die letzten Jahrzehnte deutlich zurückgegangen ist. Zwischen 1965 und 1981 wurden noch knapp 65% der Heimspiele gewonnen – dieser Werte verringerte sich stark auf gut 45% über die letzten 20 Jahre. Aus dem Heimvorteil ist ein Heimnachteil geworden.

„Sie denken, dass das Erzielen von Auswärtstoren nicht mehr so schwierig ist wie in der Vergangenheit“

UEFA-Wettbewerbsdirektor Giorgio Marchetti

Abschaffung droht im Mai! Kritiker bringen sich in Stellung

Das UEFA-Exekutivkomittee berät derzeit über die Abschaffung der Auswärtstorregel. Die Entscheidung über eine Reform der umstrittenen Regelung wird wohl im Mai bei der nächsten Sitzung der UEFA-Verantwortlichen in Baku fallen. Laut des ehemaligen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel gebe es eine große Mehrheit für eine entsprechende Abschaffung der Auswärtstorregel.

Und auch eine Reihe internationaler Top-Trainer forderte zuletzt auf einer Tagung der UEFA in Nyon die Abschaffung der Auswärtstorregel. Dazu gehörte Thomas Tuchel ebenso wie Jose Mourinho und auch Aresene Wenger äußerte sich im Frühjahr 2015 nach dem Ausscheiden seiner Gunners gegen Monaco durch die Auswärtsregel kritisch. Damit rückt ein Ende der umstrittene Regelung näher. Zukünftig dürfte es bei Torgleichheit nach dem Hin- und Rückspiel in die Verlängerung und gegebenenfalls ins Elfmeterschießen gehen.

Sekunden trennen Ausscheiden und Weiterkommen

Bei aller berechtigter Kritik hat die Auswärtstorregel aber auch ihren Charme. Die Regel hat bei vielen Partien den Spannungsbogen straff gehalten und für Überraschungen, Tragödien und sicher auch etwas Ungerechtigkeit gesorgt. Der Reiz der aktuellen Konstellation besteht genau hier: Auf der einen Seite die Regel welche seit Jahren aus der Zeit gefallene scheint und dadurch in dem so perfekt organisierten Fußballgeschäft für ein wenig „Rock´n Roll“ sorgt, für ein kleines bisschen Ungerechtigkeit in der durch Videoassistent bald tadellos korrekten Spielführung. Denn Ausscheiden bei einem 4:4 nach Hin- und Rückspiel ist zweifelsfrei nicht gerecht.

Mit der Auswärtstorregel würde im Europapokal aber auch die Möglichkeit verschwinden, mit nur einem Tor das komplette Spiel zu drehen. Mit einem erzielten Treffer das Ausscheiden zu verhindern und gleichzeitig das Weiterkommen zu sichern geht nur mit der Auswärtstorregel! Ausscheiden und Weiterkommen lägen nicht mehr so nah beieinander. Ein Stück weniger Action ist der Preis für ein Stück mehr Gerechtigkeit. Entscheidet selbst was euch lieber ist.

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